Kameraeinstellungen und Standorte

meine persönlichen Einschätzungen
Immer wieder kommt die Frage nach "dem" Kamerasetup für Hallensport auf. Wer das ganze bereits mehr wie nur einmal, möglichst noch in unterschiedlichen Hallen, selber versucht hat, der wird sehr schnell lernen, dass es die Standardeinstellung schlicht nicht gibt. Dafür sind Hallenbeleuchtung, aber auch Motivhelligkeiten (z.B. helle oder dunkle Anzüge) viel zu unterschiedlich.
Daher kann ich nur folgende generelle Regeln formulieren:
  • Die Belichtungszeit sollte nicht länger wie 1/320 Sekunde sein, besser 1/400 bis 1/1000. Unter 1/500 ist es nutzlos, echte Actionbillder zu versuchen (wie z.B. FlickFlacks am Balken).
  • ISO so einstellen, daß bei Offenblende noch eine brauchbare Belichtungszeit möglich ist.
  • Entweder mit Zeitautomatik (Canon: AV) oder komplett manuell fotografieren. In letzterem Fall verwende ich AV zu Beginn, um die korrekten Zeiten zu ermitteln. Außerdem ist es natürlich nötig, die Einstellungen bei jedem Beleuchtungswechsel zu korrigieren. Egal, ob dieser durch aufziehende Wolken, extrem helle oder dunkle Anzüge (oder auch Haut) oder Spotlicht hervorgerufen werden. Im Extremfall hat man am Boden in jeder Ecke eine andere Belichtung und da die Automatik auch nicht immer passt ist man für jedes Bild am Nachregeln.
    Eine weitere Alternative wäre AutoISO mit vorgegebener Zeit und Blende. Mit der D700 habe ich damit recht gute Erfahrungen gemacht, die 1D MKIIN hatte diese Möglichkeit nicht.
  • Kamera auf JPG und höchste Auflösung einstellen. Mit RAW mag man zwar noch ein paar Bilder retten können, mir ist aber schon das Sortieren am PC viel zu zeitaufwändig. Wenn die Technik mal soweit ist, daß man RAWs mit der Geschwindigkeit durchsehen kann, die auf meinem aktuellen QuadCore/2.4 GHz mit IrfanView und JPGs möglich ist, dann denke ich vieleicht um.
  • Man sollte stets genügend geladene Akkus und freie Speicherkarten dabei haben. Nichts ist ärgerlicher, als wenn mitten in der Bodenübung der Akku leer ist oder man mitten im Wettkampf die Karte am Laptop leeren muss. CF-Karten kosten mittlerweile (im Vergleich zum Wert einer Kamera oder eines 70-200/2.8) nichts mehr.
    Bei der Akkukapazitätsanzeige könnte Canon endlich mal von der Konkurenz lernen. Der Stromverbrauch wurde zwar auch bei Canon gesenkt, aber trotzdem finde ich die Akkudiagnose der D700 sehr praktisch. Eine Anzeige der Restkapazität in Prozent, welche zumindest bei recht neuen Akkus auch zu stimmen scheint (haben sie das von Sony übernommen, die das 1999 schon bei den Videokamerns konnten?) und dazu noch einen Zähler für die Anzahl der Auslösungen. Selbst bei der Verwendug von 8 AA-Akkus im BG stimmt die Anzeige recht gut, obwohl dort "halb voll" bei weitem nicht halb voll bedeutet. Aber im Gegensatz zu Canon kann man mit "halb voll" noch mehrere hundert Bilder machen. Mit der 20D oder 1D MKIIN bedeutete "halb voll" regelmässig, daß nach weiteren 50-100 Bildern Schluss war.
Verhaltensregeln
Eins möchte ich vorweg ins Bewusstsein eines jeden rufen, der beim Sport (egal, bei welcher Sportart) fotografiert: der Sport muss immer an allererster Stelle stehen. Man muss sich als Fotograf immer fragen, ob man nicht den Sportlern oder den Kampfrichtern an der vieleicht gerade gewünschten Fotoposition im Weg steht oder ihn dort irritieren würde.
Soviel Spaß es auch machen mag, ungewöhnliche Perspektiven zu testen oder auch nur ganz nahe am Geschehen zu sein, so unwichtig ist dies, wenn die aktiven dadurch behindert würden.
Ebenso ist auch unter den Fotografen einen gegenseitige Rücksichtnahme gefragt. Gerade wenn man, wie ich, das ganze als Amateur betreibt, sollte man auf die anwesenden Profis Rücksicht nehmen und im Zweifelsfall lieber zurückstecken und kein Bild machen. Die Profis wollen und müssen mit dem Verkauf der Bilder ihren Lebensunterhalt bestreiten. Und auch wenn es einen immer wieder ärgert, daß eben diese Profis auf ihren Bildern sitzen bleiben und nur ganz wenige davon veröffentlicht werden, so sind Akkreditierungen genau für die Profis gedacht.
Andererseits sollte/muss dies aber auch für die Profis selber gelten. Wer als Profi, und sei er "nur" ein kleiner Lokalreporter, bei einem Turn- oder Eiskunstlaufwettkampf seinen Blitz für Actionbilder auspackt, wird hoffentlich (trotz Profigehabe) hochkant aus der Halle geworfen. Sowas mag noch im Training nach Absprache mit Aktiven und Trainer gehen, aber eben nicht bei einem Wettkampf.
Kunstturnen der Frauen
Im Folgenden werde ich meine bevorzugten Optiken, Einstellungen und Standorte auflisten. Die Angaben sind jeweils mindestangaben. Wenn ich z.B. 1/500 Sek. angebe, dann macht es m.M. keinen Sinn, ein entsprechendes Element oder Gerät zu fotografieren, wenn die Bedingungen nur längere Belichtungszeiten zulassen.
Kürzere Zeiten sind nie verkehrt und erst ab 1/800 und kürzer kann man sich ernsthaft Gedanken machen, die ISO herunter zu stellen oder leicht abzublenden.
Gleiches gilt für die Optiken. Bei mir ist das 70-200/2.8 immer die erste Wahl, so lange die Belichtungszeiten reichen. Wenn nicht, würde ich auf eine Festbrennweite wechseln. Mit Ausnahme der besseren Freistellung bei langen Brennweiten gibt es dort kaum einen Grund für oder gegen gewisse Brennweiten.
Bei zu kurzen Brennweiten läuft man schnell in das Problem, daß man zu nahe an das Gerät muss. Dies ist entweder nicht möglich, man hat selber Angst, bei einem Fehler der Turnerin von dieser umgetreten zu werden oder wird gar (mehr oder weniger freundlich) weggebeten. Letzteres ist gerade in der direkten Verlängerung des Balkens oder Sprungs nicht ungewöhnlich.
Natürlich wird es zu allen Angaben auch dutzende anderer Meinungen geben und auch ich halte mich nicht immer meine eigenen Erfahrungswerte. Sie sollen einzig als Orientierungshilfe gelten, damit man nachher nicht enttäuscht alle Bilder wegwerfen muss, weil wieder einmal der Wunsch nach Actionbildern größer war als das Wissen, daß man in einem dunklen "Kellerloch" keine entsprechenden Bilder machen kann.
Sprung
Belichtungszeit: 1/640
Autofokus: Manuell (Vorfokussieren mit One-Shot)
Standort: Verlängerung des Sprungs, idealerweise etwas erhöht, um den Sprungtisch leicht von oben zu sehen.
Neben genügend Licht ist eine exakte Kentniss des Spungs sehr wichtig. Wer stützt wo, wie herum geschieht die Drehung. Alternativ kann man die Flugphase fotografieren. Wer dort aber den Sprung und seine Ausrüstung nicht hervorragend kennt, landet max. einen Zufallstreffer.
Stufenbarren/Balken/Boden
Belichtungszeit: 1/200 für Posen, 1/400 für Drehungen/Sprünge und 1/640 für Überschläge/Flieger
Autofokus: AI-Servo (AF-C), am Besten mit einem AF-Stop Button für rein vertikale Sprünge am Balken/Boden. Wobei man an diesen Geräten auch mit One-Shot (AF-S) arbeiten kann, wenn der AF schnell genug dafür ist.
Standort: Falls man die Übung nicht kennt ist die beste Position meist auf der Seite des Kampfgerichtes. Beim Stufenbarren auf der Seite des unteren Holms.
Siegerehrungen
Je nach Anzahl an Fotografen und abhängig vom Ausrichter (!) kann man Siegerehrungen auch ganz gut mit dem 70-200/2.8 fotografieren. Hat man keinen Blitz, macht sich dabei ein IS/VR ganz gut. Dann dürfen aber nicht allzu viele Fotografen (insb. Profis) anwesend sein, es muss genügend Platz zwischen Siegerpodest und Zuschauertribüne geben und der Hallensprecher muss einem genügend Zeit geben, das Foto machen zu können nachdem Pokale und Geschenke überreicht wurden.
In der Regel ist daher ein normales (lichtschwaches) Zoomobjektiv mitsamt Blitz vorzuziehen. Außer, man "gebraucht" die Siegerehrung eher dazu, noch ein paar Portraitfotos der Teilnehmer zu schießen.
Eiskunstlaufen
Wer vom Kunstturnen kommt, wird erst einmal erschlagen werden von der Größe der Eisfläche. Die Bodenfläche beim Kunstturnen ist 12x12m groß, die Eisfläche in der Regel 60x30m. In der USA wurde 2003 die komplette Kunstturn-WM auf der Fläche einer Eislaufarena ausgetragen und dort kam vermutlich kein einziger Fotograf auf die Idee, alle Geräte von einem Standort aus fotografieren zu wollen. Genau dies muss man aber beim Eiskunstlaufen machen, da man den Aktiven natürlich nicht hinterher laufen kann.
Trotzdem ist beim Eiskunstlaufen, wie beim Kunstturnen, das 70-200/2.8 die Standardlinse. So lange es hell genug ist bietet sie, insb. am Crop, die besten Kompromisse. Bis auf wenige Elemente und/oder Läufer genügt eine Belichtungszeit von 1/400. Damit kann man, falls man nahe an die Eisfläche kommt, zumindest ca. die halbe Fläche abdecken.
Und dann hilft nur die Kenntnis der Programme von den Läufern, die man gerne fotografieren möchte, um die richtige Hälfte der Eisfläche zu wählen. In vielen Hallen stellt sich die Frage, auf welche Längsseite man gehen möchte, eigentlich nicht. Eine Seite ist oft mit dem Kampfgericht fast gesamthaft belegt (Dortmund; Mannheim und Oberstdorf, wenn man nicht von oben fotografieren möchte) oder man hat den gesamten Tag Gegenlicht (Stuttgart; Oberstdorf: Trainingshalle).
Wenn es dunkel wird (insb. Stuttgart am Abend oder wenn Oberstdorf mal wieder sparen muss), dann hilft bei ISO1600 nur noch eine lichtstarke Festbrennweite, die eigentlich nie lang genug sein kann. Dies läuft dann auf das 135/2 oder das 200/2 IS heraus. Wer das Geld für das 200/2 ausgibt, ist fein raus und muss sich allenfalls noch Gedanken über Zuschauer machen, die ihm, je nach Halle, durch die Schussbahn laufen könnten.
Mit dem 135/2 bekommt man mit der 1D MKIIN schon Probleme, wenn die Läuferinnen etwas weiter weg sind. Dort hilft bei meinen Kameras auch keine noch so starke Ausschnittvergrößerung mehr, die mit der 135er viel besser möglich ist wie mit dem EF 70-200/2.8L IS. Bilder sind oft nur noch für Ausbelichtungen bis 13x19cm zu gebrauchen.
Bei mehr Licht oder wenn man von der Empore aus fotografieren möchte (Oberstdorf, Berlin, Dresden), macht sich ein 200/2.8 ganz gut. Oder natürlich ein 300/2.8, 400/2.8 bzw. ein 200/2 IS + 1,4x Telekonverter. Das 200/2.8 mag sich zunächst seltsam anhören, da man es auch durch das 70-200/2.8L IS ersetzen könnte. Natürlich kann man, aber das 200/2.8 bildet an der 1D MKIIN (und der 20D) bei Offenblende sichtbar schärfer ab wie mein (gemäß Service optimal justiertes) Zoom. Wenn man dann 4 Tage lang nur mit 200mm fotografiert (wie 2006 bei der DM/DNM in Dresden), dann kann man zumindest über ein (gebrauchtes) 200/2.8 nachdenken. Mit dem aktuellen 70-200/2.8L IS II USM dürfte sich diese Einschätzung allerdings ändern, was ich aber aus eigener Erfahrung nicht beurteilen kann.
Rock'n'Roll
Wer schonmal bei einem Rock'n'Roll Wettkampf war, der weiss, daß es eigentlich nur zwei mögliche Fotopositionen gibt:
  • Direkt auf die Tanzfläche (vor bzw. seitlich neben den Preisrichtern). Hier muss man sich zwar mit den übrigen Vereinsmitgliedern und vor allem einigen recht resistenten Trainern herumärgern, hat dafür aber doch fast immer freie Sicht auf die Paare. Blitzen ist, so lange der Veranstalter nichts sagt (könnte vor allem bei der Akro der B+A Klasse passieren), auch problemlos möglich. Dafür braucht man ein passendes WW-Zoom (bei mir das 24-70/2.8) und bei empfindlichen Ohren auch Oropax.
  • Irgendwo erhöht recht weit weg im Zuschauerraum. Dies ist zwar die übliche Position für alle, die Videos aufnehmen, zum Fotografieren aber nur bedingt geeignet. Einerseits braucht man recht lange Brennweiten (200mm ist auch am Crop oft zu kurz, selbst günstige Camcorder haben mittlerweile 10x oder 12x Zooms mit umgerechnetn 350mm bis 450mm Endbrennweite), blitzen von dort ist fast aussichtslos, wenn man viele Paare fotografieren möchte und ob die Schussbahn wirklich frei ist (und auch bleibt) weiss man nie.
Die Kameraeinstellungen variieren zwischen 1/250, f4-5.6 und Blitz (möglichst indirekt) und bis zu 1/400, f2.8-5.6, ISO3200-6400 und dafür ohne Blitz. Wenn es die Umstände zulassen dann fotografiere ich lieber ohne Blitz.
Für den Fortgeschrittenen
Wenn man die obigen Grundlagen irgendwann beherrscht, man ohne grosse Anstrengung die Standardszenen festhalten kann, dann folgt wohl für einen Fotografen ohne persönliche Bindung zu Aktiven irgendwann der Punkt an dem man sich fragt: was nun? Wo ist die Herausforderung, das wirklich Interessante, das Aussergewöhnliche? Oder in Kurz: warum mache ich das ganze überhaupt noch?
Sicherlich bleibt immer noch viele Optimierungspotential. Angefangen von der (leider sehr oft völlig unmöglichen) Suche nach einem "schönen" Hintergrund für die "Standardbilder", der Versuch, die "optimale" Ausführung eines Elementes aus der dazu nötigen Perspektive festzuhalten. Oder schon nur die rein technische Minimierung des Ausschusses ohne dabei genau die wenigen Bilder, die man als Fotograf immer noch interessant findet, zu verpassen.
Wem dies aber nicht genügt oder wer dort ohne sehr grossen Aufwand keine Möglichkeiten sieht, der sollte ernsthaft darüber nachdenken, zwischenzeitlich mal eine andere Sportart zu besuchen. Oft entsteht bei mir gerade durch die Abwechselung wieder die Freude auf die anderen Sportarten.

Einleitung

Teil 1 Meine Fotoausrüstung 1999 - 2004

Teil 2 Meine Fotoausrüstung 2005 - 2008

Teil 3 Meine Fotoausrüstung 2008 - heute

Teil 4 Welche Ausrüstung ist sinnvoll (aus Sicht des Amateurs)

Teil 5 Kameraeinstellungen und Standorte

Teil 6 Bildbearbeitung

Teil 7 Katalogisierung und Archivierung

Anhang Begriffsdefinitionen


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Autor:  Bernhard Schwall

letzte Änderung: 22.02.2012